Gargnano, mit all seinen Weilern, ist ein authentisches (und reichhaltiges) Freilichtmuseum.
Das ganze Gebiet besitzt viele Facetten: von den künstlerischen und naturalistischen über die literarischen und ethnographischen bis hin zu den architektonischen und religiösen Aspekten. Unbestreitbar ist auf jeden Fall die Relevanz der historischen Ereignisse, die in diesen Orten deutliche Spuren hinterlassen haben, zum Teil ganz offensichtliche, zum Teil wurden sie geheim gehalten.
So verdient zum Beispiel die Zeit des Risorgimento (zwischen 1848 und 1866) eine besondere Berücksichtigung, die über eine einfache Erwähnung hinausgeht. Es handelt sich um den Zeitraum, der durch den Großen Krieg (1915-1918) gekennzeichnet war und dem zu Recht eine noch größere Bedeutung beigemessen werden kann, denn die hinterlassenen Spuren sind im Hinterland noch gut erkennbar.
Im Zusammenhang mit einer Wahrnehmung des Territoriums, die dazu ausgerichtet ist, es der Öffentlichkeit noch bekannter zu machen und seine Wertschätzung ansteigen zu lassen, kann auch ein anderer Zeitraum mit einbezogen werden, dessen Miteinbezug sich zweifeillos als eine Herausforderung erweist, der aber, wenn er richtig abgehandelt und historisch geschützt wird, einen interessanten Anreiz in der Agenda des Touristen mit einbringen kann.
Auf dem Tisch liegt die Geschichte jener achtzehn Monate – problematische Monate und auf eine gewisse Weise schwer nachvollziehbare - die vom Herbst 1943 bis zum Frühjahr 1945 reichen. In diesem Zeitraum wurde Gargnano Hauptstadt der Italienischen Sozialrepublik, ein Titel, der nach dem Krieg zu Unrecht dem nahe gelegenen Ort Salò zugeschrieben wurde. Diese Republik hat nichts Denkwürdiges hinterlassen, das ist wahr, im Gegenteil, sie zwang die Menschen aus Gargnano und den anderen Orten des Gardasees zu einer sehr gefährlichen Koexistenz, in der sie sich gezwungen sahen, den letzten Atemzügen eines Regimes in Auflösung beizustehen.
Aber auch diese Phase und Umstände haben sich festgeschrieben und sind unauslöschlich eingeprägt. Ebenso schließt sie mutige Fragmente derer mit ein, die sich furchtlos dem Raubbau an der Demokratie widersetzten.
Es handelt sich daher um Ereignisse, die es verdient haben, zumindest in groben Zügen illustriert und erzählt zu werden, in der Überzeugung, dass es richtig ist, eine komplette Kenntnis der Orte, Menschen und Ereignisse zu haben.
Es wird eine einfache Route vorgeschlagen, die zu Fuß in ein paar Stunden oder mit dem Fahrrad in noch weniger Zeit zurückgelegt werden kann. Es mag hilfreich sein, einige markante Aspekte der Monate zwischen 1943 und 1945 unter die Lupe zu nehmen.
Es wird in Bogliaco gestartet, wo es genügend Parkplätze gibt, es wird somit dieser Weiler und der von Villa durchquert, dann der Hauptort Gargnano, und von dort aus geht es nach Casèl dé la Tor, das ein paar Kilometer nach dem Ort Gargnano auf der Höhe des ersten Tunnels liegt.
Alles in allem etwas mehr als vier Kilometer in eine Richtung, größtenteils Flachland, mit einem leichten Anstieg im letzten Teil der Strecke.
Palazzo Bettoni Cazzago – Präsidentschaft des Ministerrats der Italienischen Sozialrepublik (RSI)
Es ist das interessanteste historische Gebäude im Gemeindegebiet von Gargnano. Vom kleinen Hafen des Homerus-Projekts, der den Innenhof des Gebäudes am See überblickt, hat man eine hervorragende Aussicht. Es ist auf jeden Fall möglich, entlang der Staatsstraße in Richtung Norden an der gesamten Länge des Gebäudes (Privatbesitz der gleichnamigen Familie) vorbeizugehen. Der Palazzo aus dem achtzehnten Jahrhundert, der sich genau gegenüber einem sog. italienischen Garten befindet, war das bedeutendste institutionelle Gebäude der Italienischen Sozialrepublik (RSI). Es wurde beschlagnahmt, wie auch andere Wohnhäuser in Gargnano und Hunderte von einfachen Zimmern, die in den verschiedenen Häusern verteilt waren. Es waren lange Umbau- und Anpassungsarbeiten notwendig und im Sommer 1944 wurde sogar der Garten in Kriegs-Gemüsebeete umgewandelt.
Im Oktober 1943 hatte sich dort die Präsidentschaft des Ministerrats der Italienischen Sozialrepublik (RSI) niedergelassen und hielt dort fünfzehn von insgesamt siebzehn Sitzungen ab. Der Versammlungssitz war in der prächtigen Bibliothek. Im April 1945 wurde der Palazzo von den US-Truppen der Tenth Mountain Division besetzt. Aus dem Gebäude verschwanden in den erschütternden Momenten, die das Ende des Konflikts begleiteten, eine beträchtliche Menge an Dokumenten sowie Kunstgegenstände, die aus dem Palazzo del Viminale (Rom), dem Sitz des Ministerrats vor dessen Umzug nach Norditalien, hierher transportiert wurden.
Ex-Kaserne von San Carlo - Sitz der republikanischen Nationalgarde
Wenn man von Bogliaco in Richtung Villa di Gargnano fährt, umgibt eine Reihe von verfallenen Gebäuden (im Staatsbesitz) einen weitläufigen Hof gleich jenseits der Fahrbahn, oberhalb der Gardesana-Straße.
Diese ehemalige Kaserne (benannt nach Leonida Magnolini) befindet sich in der Gegend von "San Carlo" in Erinnerung an den Bischof, der diese Orte im Sommer 1580 besuchte. Sie besitzt keine große touristische Attraktivität, verdient aber Aufmerksamkeit aufgrund ihrer Architektur und vor allen Dingen aufgrund der geschichtlichen Verläufe. Selbst wenn wir unser Interesse nur auf das zwanzigste Jahrhundert beschränken, müssen wir die Nutzung als Kaserne in den ersten Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts hervorheben: Von hier aus zog das Siebte Bersaglieri-Regiment zu Beginn des Ersten Weltkriegs in Richtung Valvestino aus.
Während der Zeit des italienischen Faschismus wurde sie zu einer Heliotherapie-Kolonie und anschließend nahm die Kaserne die alpinen Truppen der Tridentinischen Division (Vestone, Valchiese, Verona) zu Beginn der 40er Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts auf, bevor die Expedition nach Russland im Sommer 1942 stattfand. Zwischen 1943 und 1945 waren hier die Männer der republikanischen Nationalgarde stationiert und für ein paar Monate auch die Zehnte Mas-Flottille. Nach Einkehr des Friedens wurden hier in späteren Zeitperioden Flüchtlinge verschiedener Herkunft aufgenommen: Giuliano Dalmati, die Flutopfer der Po-Ebene, Exilanten aus Tunesien und Libyen.
Das Gebäude, das seit einiger Zeit nicht mehr genutzt wird, beherbergte avantgardistische Kunstformen, Sporthallen, wirtschaftliche Aktivitäten, Solidaritätsinitiativen und verschiedene Büroräume öffentlicher Einrichtungen.
Palazzo degli Uffici (Villa ex Orsoline) - Sekretariat und Büroräume des Regierungschefs
Durchquert man den Weiler Villa, gelangt man in die historische Altstadt von Gargnano. Nicht weit entfernt vom kleinen Hafen steht man vor einem Gebäude, das die eigentliche Schaltzentrale der Italienischen Sozialrepublik (RSI), das Herz des Regimes, darstellte.
Am Ende des neunzehnten Jahrhunderts erbaut, beherbergte der Palazzo 1943 Dutzende von Mädchen, die sich dem Studium widmeten und den Ursulinenschwestern anvertraut waren. Derzeit ist der Palazzo eine Außenstelle der Universität Mailand. Die Beschlagnahmung erfolgte gegen Ende November 1943 und der Palazzo fungierte als „Büropalast“, wie die Alliierten ihn nach der Befreiung nannten. Hier befanden sich die beiden Sekretariate Mussolinis (Politik und persönliches Sekretariat), die zu einem späteren Zeitpunkt vereinigt wurden, sowie das Büro des Regierungschefs und außerdem die Räume der beiden deutschen Offiziere, die mit der Kontrolle des faschistischen Oberhauptes beauftragt waren. Er war sich dessen bewusst, wie aus den Briefen hervorgeht, die er an seine Geliebte Clara Petacci richtete, die in der Villa Fiordaliso in Gardone Riviera wohnte, nur 12 Kilometer von Gargnano entfernt. Mussolini erschien selten auf der Terrasse mit Blick auf die Berge und hielt niemals eine Rede. Die Kontrolle über das Gebäude wurde dem italienischen und deutschen Militär gemeinsam anvertraut.
Villa Feltrinelli – Privater Wohnsitz von Mussolini und Rachele
Wenn man 700 Meter weiter auf der zum Dorf San Giacomo führen Gemeindestraße entlang geht, erkennt man die Villa Feltrinelli, die vor zwanzig Jahren zu einem Luxushotel umgebaut wurde. Mussolini wurde am 8. Oktober 1943 in dieses Gebäude aus dem späten 19. Jahrhundert gebracht und blieb dort bis zum 18. April 1945. Er mochte weder den See, noch den Ort und machte auch keinen Hehl daraus. Er verließ Gargnano nur selten, und alle seine Versuche, woanders hinzuziehen, scheiterten. Er gab zu, dass er aus der Welt verbannt war, weit weg von den Räumen, in denen die Politik stattfand und fern jeglicher Kriegsstrategie.
Die Villa Feltrinelli war von einer Reihe von Gebäuden umgeben, die alle beschlagnahmt und vom Militär besetzt wurden, das einen Sicherheitsgürtel schuf, um seinen Schutz zu gewährleisten und um Mussolini kontrollieren zu können, der sich dessen bewusst war. Das Gebäude war mit einer grünlich-schwarzen Farbe getarnt, wie viele andere potenziell gefährdete Gebäude auch. Der Turm auf der linken Seite (ein paar Meter höher als der jetzige) war mit einer Flugabwehrkanone ausgestattet, die aber im Januar 1945 gesprengt wurde.
Mit dem Führer des italienischen Faschismus lebten seine Frau, Rachele Guidi, und seine jüngsten Kinder, Romano und Annamaria, sowie einige Gäste und Militärwachen.
Al Casèl de la Tor – Opferstätte des Helden Mario Boldini
Der Ort ist nicht weit von der Villa Feltrinelli entfernt, was eine fast paradoxe Situation schafft. Von der Villa aus geht man ein paar Dutzend Meter in Richtung Gargnano, dann vorsichtig weiter auf der Staatsstraße, etwas mehr als einen Kilometer in Richtung der Tunnel. Etwa hundert Meter nach dem ersten Tunnel zweigt eine kleine Straße nach links ab und führt bergaufwärts. Nach ein paar Dutzend Metern kommt man zu einem abgelegenen Platz mit ein paar Bänken, die zum Verweilen und Nachdenken einladen. Hier endete das Leben eines 21 Jahre alten Jungen, Mario Boldini. Er war einer der ersten Partisanen, die in der Gegend von Brescia gefangen genommen wurden, und das Schicksal wollte es, dass er ein paar hundert Meter von der Villa entfernt erschossen wurde, in der der Regierungschef des Regimes wohnte, welcher aber über diese Tatsache im Dunkeln gelassen wurde. Das von viel Grün umgebene Gelände wurde vor einigen Jahren wiederhergestellt und ist heute ein Ziel für historische Themenausflüge. Der Ort lädt zur Meditation ein und bietet außerdem einen guten Blick auf den darüberliegenden Hügel und den Gardasee.
Bruno Festa